Beschreibung
Elf Jahre nach der Unabhängigkeit Algeriens schwelt es an der Côte d’Azur. Bei Teilen der Marseiller Polizei gehört Rassismus zum guten Ton. Der Mord an einem französischen Busfahrer wirkt wie ein Signal zur Eskalation, Scharfmacher schüren die Pogromstimmung, ein Junge wird auf offener Straße niedergemäht. Man ermittelt halbherzig und schlampig – bis Commissaire Daquin auf den Plan tritt. Doch er ist kein Marseiller …
Rassismus bei der Polizei?
Wir erleben Commissaire Daquin aus Paris beim zweiten großen Fall seiner Laufbahn, bereits jetzt ein unbestechlicher Bulle mit Reibfläche und ausgeprägtem Sinn für Unrechtsverhältnisse. Die blühen in Marseille, zumal die verschiedenen Instanzen der Polizei einen Kleinkrieg um die Deutungshoheit über Recht und Gesetz führen. Von der Polizeizentrale L’Évêché bis zu den Richtern ist die Marseiller Exekutive durchsetzt mit Meistern der Mauschelei. Und in der Gesellschaft, die ihnen vorschwebt, ist für bestimmte Leute kein Platz vorgesehen. Wie weit werden sie gehen, wenn die Lage eskaliert?
1973 erschütterte eine rassistische Mordserie ganz Frankreich mit Marseille als Epizentrum von Fremdenhass, Klüngel und rassistischem Terrorismus: Das ist der historische Kern, um den Dominique Manotti ihren rasanten Roman arrangiert hat. Seine Aktualität in diesen Tagen ist beklemmend.
Hier geht’s zum Video: Kurzvideo von Dominique Manotti
zum historischen Hintergrund von Marseille.73, französisch mit deutschen Untertiteln.
Auch als E-Book auf allen gängigen Portalen
Vorbemerkung der Herausgeberin:
Willkommen zu einem Abstecher in die Geschichte des Rassismus. Während die Côte d’Azur in der Sommersonne glitzert, das Werftgelände in La Ciotat vom Arbeitslärm widerhallt, der Duft von Couscous durch die Gassen von Marseille zieht und im alten Hafen versenkte Leichen auftauchen, liegt die militante Kolonialpolitik Frankreichs kaum mehr als ein Jahrzehnt zurück. Pied-noirs, Algerienheimkehrer, finden sich in allen Strukturen der Stadt und reiben sich an der Anwesenheit maghrebinischer Arbeitskräfte. In der Polizeizentrale Évêché tobt ein Kleinkrieg zwischen den Etagen, chauvinistische Seilschaften mauscheln und verwalten ihre Pfründe. Doch auch die Gegenseite schläft nicht …
Commissaire Théo Daquin ist der lange Arm Dominique Manottis, mit ihm greift sie in die Vergangenheit und knöpft sich die Gemengelage vor, die in Frankreich den radikalen Nationalismus zur Blüte trieb. Im Spannungsfeld schwelender sozialer Konflikte, selbsternannter Scharfrichter und mehr oder weniger subtil hetzender Medien muss Daquin mit seinen Inspecteurs alle Register ziehen, um die Wahrheit ans Licht zu holen. Der politisierten Leserin drängen sich bei der Lektüre Parallelen zu Ermittlungspannen um die NSU-Morde auf, und das ist nicht die einzige schmerzhafte Aktualität in diesem historischen Roman policier. Manotti erweckt die sich bekriegenden Interessen zum Leben, gießt sie in Figuren, deren Treiben und Streben sich zu einem fesselnden Ermittlungsthriller fügt, zutiefst noir, hochpolitisch und so rasant wie sinnlich. Großes Kino. (Else Laudan)