Beschreibung
Lernen ist ein widersprüchlicher Prozess. Es gibt nicht bloß ›eine richtige‹ Strategie. Lernen ist als Bewegung unabgeschlossen und oft zwiespältig. Menschen reagieren auf frustrierende Verhältnisse mit Lernwiderstand, tragen damit zu ihrer Versteinerung bei. Diese »versteinerten Verhältnisse zum Tanzen zu bringen« braucht Anstrengungen von den lernenden Subjekten selbst. Frigga Haug lädt dazu ein, die Unruhe des Lernens als etwas Produktives zu denken. Sie studiert das Lernen und das Lehren, analysiert Lerntheorien, deckt gesellschaftliche Lernverhältnisse auf und zeigt emanzipatorische Methoden.
In DIE UNRUHE DES LERNENS finden sich die wesentlichen Beiträge aus dem Buch ›Lernverhältnisse‹ (2003). Sie sind vielfältig überarbeitet und zudem ergänzt um neuere Texte: zur kritischen Psychologie von Widerstand, über Kritik als Triebkraft für Veränderung sowie zum Thema Roboter als Lehrer.
Inhaltsverzeichnis DIE UNRUHE DES LERNENS (verknappt):
1: Das Unbehagen – Erinnerungen an Lernen: Lesenlernen, Ballwerfen, die Frage, der Computer.
2: Die Lernproblematik – Erste Diskussion von Holzkamps Lerntheorie. Lernhandlung und Weltbezug. Subjektive Lernproblematiken. Schönbergs Orchestervariationen. Ein Zimmer für mich.
3: Die versteinerten Verhältnisse zum Tanzen bringen. Vorlesen. Nachhilfestunden. Schulungsgruppen. Lernen als Erziehungsziel. Psychologie; Pädagogik: Paolo Freire. Lernen als Aneignung von Wissen.
4: Erfahrungen in die Krise führen, oder: Wie Lehrende Lernenden nützen können. Reformen. Inhalt und Form. Lehrer und Schüler. Das Rollenspiel. Die Rolle der Erfahrung. Die Opfer-Täter-Diskussion.
5: Brechts Flüchtlingsgespräche als Lernanordnung: Der Text. Der Ort. Das Zwiegespräch. Die Ordnung. Der Vergleich. Der Alltagsverstand und die Erfahrung. Begriffe im Zwielicht. Tugenden. Der Mensch ist gut. Das Einverständnis und kleinere Tugenden: Fleiß, Gehorsam, Dankbarkeit, Nächstenliebe, Selbstbeherrschung, Keuschheit, Opfersinn, Würde. Freiheit. Lehren vom Lernen. Die Dialektikwoche. Esslingen – Stadt der Frauen.
6: Frageräume. Lernen von Virginia Woolf. Das Privileg des Wohllebens. Die Kunst des Fragens. Die Dummheit des Krieges. Die Bezahlung der Ausbildung. Der Wert des Berufs. Die Beschränktheit des Heims. Der Nutzen des Frauencolleges. Die Förderung weiblicher Berufstätigkeit. Die Verteidigung der Kultur. Die Funktion der Kleider. Die Eigenarten der Frauen. Die Lehren der Literatur.
7: Das lernende Subjekt – Zweite Holzkamp-Diskussion. Kritische Psychologie. Die subjektwissenschaftliche Grundlegung. Behavioristische Lerntheorien. Kognitive Erweiterungen des S-R-Konzepts. Das Gedächtniskonzept als kognitive Fassung des Lernproblems. Tagung über mein Buch Lernverhältnisse im Institut für Kritische Psychologie.
8: Die lernenden Subjekte – Lehren und Lernen. Die Aufgabe. Lerntheorien. Lernerinnerungen. Lerntagebücher. Das Lernarrangement. Die anderen und das Ich – Angst und Täuschung. Kritik und Selbst. Die anderen Tagebücher als Schlüsselerlebnis. Der Stoff – Begriff und Begreifen. Selbstveränderung. Vorurteile. Weitere Blockaden – Political Correctness. Das nächste Semester: Cultural Studies. Verlernen.
9: Erfahrung und Theorie. Das Lerntagebuch als Medium selbstbestimmten Lernens. Zur Rolle von Beispielen in der Theoriearbeit. Lehren fürs Lehren. Ich und die anderen – kollektives Lernen und Selbstzweifel. Kritik.
10: Lernen in der Schule. Die Lehrerfrage. »Als ich etwas lernte«. Konstruktion von Bedeutung. Zwei Beispiele – Notizen von Männern. Forschende Haltung. Erfahrungen von Frauen – drei Beispiele. Englischlernen. Lateinunterricht. Das Abitur. Lehrerweiterbildung. Erfahrung und Theorie. Sex im Klassenzimmer. Roboter als Lehrer.
11: Lernen in der Familie: Familienleben. Niederlage. Jähzorn als Waffe. Erfolg. Abschied.
12: Lernen in der Universität: Die Sache mit dem Protokoll. Heute nichts gelernt. Der Pflichtkurs.
13: Lernen in der Arbeit: Lernen als große Veränderung. In der Arbeit zu Hause sein. Arbeitsbiographien. Das Projekt Automation und Qualifikation und die Umbrüche in den Arbeitstätigkeiten. Vom Modell zur wirklichen Praxis: Lernprozesse im hochtechnologischen Betrieb. Lernen als Widerspruchserfahrung. Geschichten von Arbeit.
14: Lernverhältnisse – Anstelle einer Zusammenfassung: Kritik von Theorien ist Praxiskritik. Verlernen. Der Widerspruch. Die Arbeit. Der Alltag. Sprache. Die Geschlechter. Fragen. Kritik. Das Kollektiv – der Dialog. Lehren. Der Lernbegriff.
15: Kritische Psychologie: Zur kritischen Psychologie von Widerstand, oder: Zum Verhältnis von Theorie und Praxis. Es geht um Handlungsfähigkeit. Die kulturelle Wende. Alltag und neue Lehre. Erkennen ermöglichen oder Begriffe begreifbar machen. Lernen von Rosa Luxemburg.
16: Praxis von Kritik: Kapitalismuskritik, Frauengeschichte und Alltagsforschung. Auch Frauen machen ihre Geschichte selbst. Selbstkritik. Die Produktivität von Kritik.