Beschreibung
Vor dem Monsun
Ein Bordell in Shonagachi, Südasiens größtem Rotlichtviertel. Eine junge Frau, die ermordet wird. Eine Polizei, der das schnuppe ist. Ein Möchtegern-Poet, der von Bengalens großer Geschichte träumt, Erotikschund schreibt und hoffnungslos in eine Hure verliebt ist. Nämlich in Lalee, die ihr Leben von einem Tag auf den anderen lebt und über manches hinwegsieht – aber nicht um jeden Preis!
Die Frauen von Shonagachi ist ein moderner Noir aus Bengalen. Mit Witz und Biss schildert Rijula Das die Rolle und den Alltag von Frauen in der Sexindustrie und erzählt einen Krimi aus der Wirklichkeit, der auch eine Liebeserklärung an Kalkutta ist.
Es wird bald regnen. Es droht schon, es dunkelt in den Ecken, dort, wo der Blick nicht hingeht, es sei denn, man hat Angst. Über dem Gewirr der Stromleitungen, über den Mobilfunkmasten und den Strompfählen, die am ersten Tag des Monsuns wie Zweige schwanken, senkt sich zinngraue Tinte herab, ballt sich, sammelt sich in einer Zukunft, die für immer in der Schwebe bleibt. Und genau das ist ein Tod. Ein Tropfen Tinte in unberührtem Wasser. Er sinkt tiefer, breitet seine Ranken aus, erschöpft sich, repliziert sich in Kurven und Geraden. Die drei wissen es noch nicht, aber sie kennen seine Form, irgendwo tief in den Knochen, wo der Verstand nicht hinkommt.
Krimitipp: Bremen Zwei – Empfehlung von Ziphora Robina, Studio-Live, Moderation Keno Bergholz, Sendetermin des Beitrags auf Bremen Zwei: Mi, 13.09.2023 um 08:36 Uhr – hier zum Anhören:
(Mit freundlicher Genehmigung von Radio Bremen)
Vortext der Herausgeberin und Übersetzerin
Als immerzu nach erzählerischer Courage rufende Verlegerin subversiver Krimis musste ich mich in diesen Erstlingsroman unweigerlich verlieben. Die Reise, auf die Rijula Das mich mitnahm, hat so viel Welt in meinen Kopf gespült, von der ich nichts oder wenig wusste (kleine Teile meiner ständig ausufernden Recherchen beim Übersetzen sind ins Glossar gewandert), ich liebe den heiteren Spott, mit dem sie die Zurechtlegungen in den Köpfen seziert, durch die Unrecht und Wahnwitz erst so schön reproduzierbar werden, und feiere die Chuzpe, diese Geschichte so zu erzählen – so amüsant, klug, unverzuckert, vielstimmig.
Rijula Das sagt von sich, sie sei eine »literarische Promenadenmischung«, sie liest breit und viel und übersetzt aus dem Bangla ins Englische, u. a. Nabarun Bhattacharya, dessen »karnevalesker Geist« sie beeinflusst hat und der mit Genreerwartungen spielt und sie hintertreibt. »So ein Experiment wollte ich als Anti-Krimi schreiben, denn es gibt Tode, die durchs Raster fallen. Ich wollte mit Form und Ton experimentieren, eine lokale Erzählung auf Englisch schreiben und dabei Geist und Gestalt von Bangla-Literatur bewahren. – Teilweise beruht der Roman auf meiner Doktorarbeit, darin habe ich zur Verbindung zwischen öffentlichem Raum und sexueller Gewalt in Indien geforscht. Aus der Sicherheit einer Pufferzone lässt sich leicht das Tragische von Nicht-Orten wie Shonagachi imaginieren, aber wie das Leben und wie Kalkutta hat auch Shonagachi seine Witze, seinen schlitzohrigen Spott und sein widerspenstiges Lachen im Angesicht der Not. – Ich wollte erstens nichts Tragisches dazuerfinden, nur was wirklich geschieht, sollte im Buch vorkommen. Und ich wollte zweitens, dass etwas von dem Humor durchschimmert, von der Anmut, dem Slang und dem Gelächter der Sexarbeiterinnen von Shonagachi. Der erste Punkt barg noch eine Herausforderung. Wie kann eine Autorin sexuelle Gewalt glaubwürdig und einfühlsam zeigen, ohne dass es voyeuristisch wird oder, noch schlimmer, beliebig? Es gibt ein Konstrukt aus unsichtbaren Erwartungen, wenn man einen Roman über Sexarbeiterinnen im globalen Süden schreibt. Wie unterläuft man das?«
Dieses Buch ist das Ergebnis, das ins Deutsche zu bringen seinerseits Drahtseilakt, Herausforderung und Vergnügen war. Ich hoffe, das Lesen macht allen genauso viel Freude.
Else Laudan