Beschreibung
FRAUENBEWEGUNG ERINNERN ist das gewaltige Thema des gerade erschienenen ARGUMENT 308. Die Redakteurinnen setzen sich mit der Schreibung und Rezeption von Bewegungsgeschichte auseinander, stellen grenzüberschreitend Fragen an Zeuginnen politischer Kämpfe, ziehen Ikonen zur Rechenschaft, evaluieren Erreichtes, aber auch Scheitern und blinde Flecken.
»Verfügung über Körper und Zeit der Frauen geschieht weltweit mit mehr oder weniger Gewalt. In den älteren kapitalistischen Ländern, auch in einigen Ländern Lateinamerikas gelang es einigen, an die Spitze von Staaten zu kommen, in der Wirtschaft maßgebliche Posten zu besetzen, lockerten sich die Gesetze, die die Persönlichkeitsrechte einengten. Aber freigesetzt, ihre Kinder allein durchzubringen und in ungesicherten kleineren Jobs, beginnen sie gerade als Folge der nächsten technologischen Revolution, die schon angefangen hat, das schnell wachsende Prekariat zu bilden. Es ist höchste Zeit, dass wir uns erneut zusammenfügen.«
Eben dafür legt dieses Heft einen Grundstein, noch suchend, doch auch schon viel erfassend und etliche Widersprüche bearbeitend. Es ist selbst ein Manifest gegen das Vergessen, gegen das Überlassen und Abwenden, für die Aneignung und Weitererzählung der Geschichte, damit aus Verstandenem und Verfehltem, aus Verwirklichtem und Unverwirklichtem für die Zukunft gelernt werden kann.
»Frauenbewegungsgeschichte schreiben ist ein Akt des Widerstands gegen das Vergessen keineswegs uniformer, sondern vielfältiger, in sich zerrissener, zerstreuter, zankbereiter zusammen handelnder Energie- und Kraftbündel allerorten allezeit, die sich weigern, ihr Leben lang unterworfen zu sein: den ,Anderen’, eigenen Schwächen, Erwartungshaltungen, Repression, Gewalt, Hunger, Zerstörung.
Kämpferisches, Wagemutiges, Rebellisches wird erinnert, dankbar und schlechten Gewissens ob des Umgangs mit diesem Erbe; Machenschaften, Missbräuche und Mietlinge tauchen auf zur bleibenden Warnung vor Monopolen und Machtanbetung.
Frauenbewegungsgeschichte bedeutet eminente, Autonomie suchende Subjektivität und evident der eigenen Begrenztheit und Unübersichtlichkeit ausgeliefertes Subjektsein im Wortsinn: Unterworfen einer Geschichte, von der nicht klar ist, wann und wo ihr erhoffter Sinn – schon das eine Widerstandshandlung – erlebbar und erfahrbar werden wird: Kreativität, Humanisierung, die Erde ein bewohnbarer Ort.«
INHALT zum Schwerpunkt:
Sabine Plonz: Frauenbewegungsgeschichte schreiben. Editorial
Rossana Rossanda: Versuch einer posthumen Wiedergutmachung an den Frauen von 1789
Frigga Haug: Arbeiten an einer Kultur in der Zerrissenheit. Eine internationale Umfrage
Susanne Maurer: Zerstreute Geschichte(n)? Überlegungen zu einer feministischen Geschichtsschreibung
Frigga Haug: Vom Schicksal zur Geschichte. Wie Bewegungsgeschichte schreiben?
Verónica Schild: Die Spezifik lateinamerikanischer Feminismen im Kontextneoliberaler Regulierung. Beunruhigende Divergenzen – Produktive Ambivalenzen
Melanie Stitz und Ruth May: Über Silvia Federicis »Aufstand aus der Küche«
Ursula Schröter: Abbruch eines Aufbruchs. Zur Frauenpolitik in der DDR
Sylvia Schraut: Strategien und Blockaden frauenbewegter Traditionsstiftung
Susi Zornig: Kapitalbildung mit Alice. Zum Kontext heutiger Frauengeschichtsschreibung
Ines Schwerdtner und Sabine Plonz: Die dunkle Seite der Lichtgestalten – ein Merkposten für das
Schreiben von Frauenbewegungsgeschichte
Ursula Schröter: Das Wandern ist der Frauen Lust? Frauengeschichte ausstellen