Beschreibung
Platz 1 der Krimibestenliste!
Im ländlichen Illinois drohen schwere Missernten, in der Großstadt Chicago geht die soziale Schere immer weiter auseinander. Die panische Nachricht einer Frau auf Dr. Herschels Anrufbeantworter führt Privatdetektivin Vic Warshawski nach Palfry County. Doch statt der erwarteten Landkommune findet sie dort nur noch eine verlassene Methküche vor und einen toten Hund. – Zurück in Chicago ist Warshawski zwar auf vertrautem Terrain, aber ihre Vermisstensuche weitet sich aus zu einer Odyssee durch Zeit und Raum, und die Gegenseite hat fast unbegrenzte Ressourcen.
Großmeisterin Sara Paretsky demonstriert die gewaltige Erzählkraft der Kriminalliteratur in diesem elegant geplotteten Hardboiled-Roman mit Privatdetektivin Vic Warshawski, die hier einmal mehr an ihre Grenzen gerät.
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Kommentar der Verlegerin:
Beziehungsreich, professionell, impulsgesteuert: Privatdetektivin V. I. Warshawski, die hier im Zuge einer Ermittlung folgenschwere Kapitel der Geschichte streift und ins Visier mächtiger Drahtzieher gerät, ist selbst ein Stück Literaturgeschichte. Ich war blutjung und schwer verliebt in die Hardboiled-Helden – Marlowe, Archer und Konsorten eroberten mein Herz mit ihrem coolen, schmutzig-realistischen Nonkonformismus –, als der feministische Aufbruch erstmals das Genre erreichte und kühne Frauen endlich auf die mean streets vorstießen: In schnell äußerst populären Romanen bevölkerte sich die Große Erzählung um Verbrechen und Gewalt mit aktiven weiblichen Figuren. Einige Namen strahlten besonders hell, allen voran Liza Cody (GB) und Sara Paretsky (USA), denen das politische Potenzial des Genres bewusst war und die sich ihm mit Talent, Erfindungsreichtum und Hingabe verschrieben, um im urbanen Dickicht aus Sozialspannung und Korruption auch die Geschichten der nicht männlichen Weltbevölkerung anzusiedeln. So wurde V. I. Warshawski meine Heldin, noch bevor ich selbst dazu kam, das zu übersetzen und zu verlegen, was wir triumphierend-rebellisch ›Frauenkrimi‹ nannten (damals ein Kampfbegriff, der später in den Händen von Marketingabteilungen zur affirmativen bis reaktionären Konsumkategorie mutierte und heute nach süßlichem Mist klingt).
Aber stellt euch mein Entzücken vor, als ich entdeckte, dass diese Quelle nie versiegt ist! Als souverän weiterentwickelte Protagonistin folgt Warshawski bis heute konsequent ihrem ausgeprägten Gewissen, dient ihrer Schöpferin als unbefangene Seismographin für die Risse in der amerikanischen Gesellschaft und ihren zahlreichen Leserinnen als unverwüstliche Streiterin für die Art Gerechtigkeit, die nicht blind der herrschenden Norm vertraut. Kritische Masse ist ihr 16. Fall und ein leuchtendes Beispiel dafür, wie ungeheuer viel Welt zwischen die Buchdeckel eines guten Krimis passt, ohne dass Paretsky es nötig hätte, sich zu wiederholen oder mit Versatzstücken zu arbeiten: Jeder Warshawski-Fall hat die Standalone-Qualität eines starken Gegenwartsromans.
Dieser hier schenkt uns neben bezaubernden und entlarvenden Episoden aus der aktuellen Wirklichkeit auch geschmeidig verknüpfte Zeitreisen: von der Nazizeit über die Nachkriegspolitik zur Duck and Cover-Phase, als die US-Regierung im Namen von ›Zivilschutz‹ ähnlich infantile Indoktrination verbreitete wie heute über Twitter. Doch das alles verdichtet nur nebenbei die akkurat in der Tradition des klassischen Detektivromans gewebte, vorwärtsdrängende Handlung. Kritische Masse ist pures Genre, ist Spannung, Unterhaltung und Bildung zugleich, eine Lupe in die Vergangenheit und ein Spiegel der Gegenwart, erzählt mit Herz und Verstand von einer großen Kriminalschriftstellerin unserer Zeit. Danke, Sara Paretsky.
Else Laudan