Beschreibung
Die Gentechnik gilt heute in den entwickelten Ländern als eine technologische Hoffnungsträgerin für ein stabiles ökonomisches Wachstumsregime. In den USA wurden bereits weitreichende Patente auf Gene erteilt. Der zivilgesellschaftliche Widerstand in Europa gegen die ethischen, ökologischen und entwicklungspolitischen Folgen von Patenten auf Leben hat die Durchsetzung einer gemeinsamen rechtlichen Basis allerdings lange Zeit verhindert. Nichtregierungsorganisationen (NRO) vernetzten sich weit über die europäischen Grenzen hinaus zu einer Widerstandsfront gegen die Profitinteressen multi- und transnationaler Unternehmen. Eine innerhalb der Europäischen Union diskutierte Richtlinie über die Erteilung privater Schutzrechte auf menschliche, tierische und pflanzliche Gene konnte im März 1995 durch den erfolgreichen Einspruch des Europäischen Parlaments noch zu Fall gebracht werden. Mit dem Hinweis auf ethische Bedenken, und zwar insbesondere in Bezug auf die Problematik der Patentierbarkeit von Teilen des menschlichen Körpers, wiesen die Abgeordneten des Parlaments die Richtlinie zurück. Sie trafen damit eine historische Entscheidung. Noch nie zuvor in der Geschichte der Europäischen Union stimmte das Europäische Parlament gegen einen Vorschlag, der von anderen Organen der EU – Ministerrat und Europäische Kommission – befürwortet worden war.
Mit Rekurs auf die politökonomische Regulationstheorie zeichnet Susanne Pernicka jene umkämpften politischen Prozesse nach, die im Jahr 1998 letztendlich doch noch zur Beschlussfassung einer Richtlinie über den patentrechtlichen Schutz für gentechnische Erfindungen geführt haben.