Beschreibung
leider vergriffen
Adolfo Sánchez Vázquez und Bolívar Echeverría, zwei der wichtigsten marxistischen Philosophen Lateinamerikas, wurden im deutschen Sprachraum aufgrund eurozentristischer Rezeptionsblockaden bisher kaum wahrgenommen. Sie stehen für eine nicht bloß innerphilosophische Kritik des »linken« Opportunismus erst stalinistischer und nun antimarxistischer Couleur. Für Sánchez Vázquez‘ »Philosophie der Praxis« ist der autoritäre Pragmatismus der dogmatischen wie reformistischen Linken keineswegs mit Marx‘ Satz zu rechtfertigen, dass alle Theorie ihre Wahrheit in der »Diesseitigkeit« zu beweisen habe. Solche theoriefeindliche Interpretation der Feuerbachthesen ist vielmehr unvermittelter Praktizismus, der nicht mit einem kritischen, d.h. in letzter Instanz revolutionären, Praxisbegriff zu verwechseln ist. Echeverría entwickelt, von Marx‘ Begriff des Gebrauchswerts ausgehend, seine Theorie der vier Ethe der kapitalistischen Moderne – vier Formen, das destruktive Verhältnis von Wert und Gebrauchswert im Alltag zu realisieren. Das paradoxe »barocke Ethos«, in Lateinamerika bekannt, könnte bereits im Kapitalismus Ausgangspunkt für eine nachkapitalistische Gesellschaftsform sein.
Stefan Gandlers Studie, die eine exhaustive Bibliographie beider Autoren enthält, bietet nicht nur eine Kontextualisierung und Interpretation der beiden Sozialphilosophien, sondern ist selbst ein Beitrag für eine Weiterentwicklung der kritischen Theorie der Gesellschaft.Zwei undogmatische marxistische Philosophen, in Mexiko und Lateinamerika Pflichtlektüre der kritischen Linken, werden endlich auch dem deutschsprachigen Publikum zugänglich gemacht. Theoriefeindlichkeit, pragmatistischer Praxisverdruss, eurozentristische Modernekonzeptionen und okzidentaler »Realismus« stehen zur Debatte.