Beschreibung
Antonio Gramsci (1892-1937) zählt weltweit zu den großen politisch-philosophischen Denkern Europas. Durch die Lektüre der Gefängnisbriefe eröffnet sich der Zugang zur Person Antonio Gramsci, zu den Wurzeln seines Denkens und Fühlens. Die parallel zu den Gefängnisheften verfassten Briefe schlagen eine Brücke zum Verständnis der theoretischen Aufzeichnungen und Reflexionen, sie sind darüber hinaus der eindrucksvolle Entwurf eines intellektuellen Selbstporträts, das Gramsci im Dialog mit seinen Briefpartnerinnen entwickelt.
Der dritte Band der Gefängnisbriefe dokumentiert erstmals die Jahre 1931 bis 1935 und damit Höhepunkte und Abschluss des intensiven Austauschs mit seiner Schwägerin Tatjana Schucht, die während der gesamten Haftzeit persönlich und brieflich Kontakt hält. Mit Gramscis Verlegung in die Klinik 1935 bricht der Briefwechsel ab. In die Jahre 1931 bis 1935 fällt die Entwicklung der wichtigsten Themen der Gefängnishefte, die zumeist im Briefwechsel vorbereitet wird. Darin spiegelt sich Gramscis Rekonstruktion der Rolle der Intellektuellen in Italien, es manifestieren sich seine Zweifel bezüglich der Entwicklung der Sowjetunion unter Stalin, die in der Auseinandersetzung mit der Subalternität von Personen, Gruppen und theoretischen Positionen diskutiert werden. Verbindendes Thema der Gefängnishefte und der Briefe ist ganz zentral die Frage der »kapillaren« oder »molekularen« Veränderungen von Menschen unter den Bedingungen ihrer persönlichen und machtpolitischen Unterordnung. Die Briefe dokumentieren auch den juristischen Kampf um die Freilassung aus dem faschistischen Gefängnis und Gramscis Weigerung, zu einem Gnadengesuch Zuflucht zu nehmen.
Um dem dialogischen Charakter, der alle Werke Gramscis, insbesondere aber die Gefängnisbriefe auszeichnet, gerecht zu werden, umfasst die in vier Bänden geplante Ausgabe nicht nur sämtliche bis heute bekannt gewordenen Briefe Gramscis (versehen mit einem Anmerkungsapparat), sondern dokumentiert darüber hinaus die wichtigsten zugänglichen Briefe seiner Briefpartner*innen. Gramscis Briefwechsel im Gefängnis ist in dieser Vollständigkeit bislang in keiner Ausgabe enthalten.
Der erste Band der Gefängnisbriefe umfasst die Korrespondenz Gramscis mit seiner Frau Giulia. Diese Texte vermitteln das intensive Bild seines persönlichen und politischen Überlebenskampfes unter den Bedingungen faschistischer und stalinistischer Zensur. Im Brennpunkt steht Gramscis Idee der Selbstkonstruktion des Menschen, die er auch in Bezug auf Giulias Psychoanalyse und auf die Erziehung ihrer beiden Söhne, Delio und Julik (Giuliano), entwickelt.